Was versteht man unter einem Anscheinsbeweis?

Der Anscheinsbeweises wurde von der Rechtsprechung entwickelt und findet insbesondere im Verkehrsrecht Anwendung. Grundgedanke ist, dass es Unfallkonstellationen gibt, die typischerweise Rückschlüsse auf Geschehensabläufe und Verschuldensbeiträge zulassen.

 

   1. Auffahrunfall:

    • Wenn es zu einem Auffahrunfall kommt, wird der Beweis des ersten Anscheins angewendet. Es wird daher vermutet, dass der Auffahrende die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet hat, etwa weil er zu dicht aufgefahren ist oder seine Geschwindigkeit nicht an die Verkehrslage angepasst hat. Der Anscheinsbeweis erleichtert dem Geschädigten den Nachweis der Schuld des Auffahrenden, da ein zu dichtes Auffahren oder eine unangepasste Geschwindigkeit nicht mehr nachgewiesen werden muss. Der Anscheinsbeweis spricht dafür, dass der Auffahrende schuld ist.
  1. Rückwärtsfahren:

    • Wenn jemand rückwärtsfährt und dabei einen Unfall verursacht, gilt der Anscheinsbeweis. Er besagt, dass der Rückwärtsfahrende allein für den Unfall verantwortlich ist. Der Fahrer muss sicherstellen, dass er den Raum hinter seinem Fahrzeug vollständig überblicken kann. Kommt es zur Kollission spricht der Anscheinsbeweis gegen den Rückwärtsfahrenden.
  2. Spurwechsel:

    • Beim Spurwechsel kommt der Anscheinsbeweis ebenfalls ins Spiel. Wenn es zu einem Zusammenstoß während oder direkt nach einem Fahrstreifenwechsel kommt, geht man davon aus, dass der Spurwechsler allein schuldig ist. Kommt es zur Kollission, spricht der Anscheinsbeweis gegen den Spurwechsler.

 

Steht fest, dass ein Anscheinsbeweis greift, ist es grundsätzlich Sache des Beweisbelasteten diesen Anscheinsbeweis zu entkräften. Eine Erschütterung des Anscheinsbeweises kommt bei atypischen Geschehensabläufen in Betracht. Im obigen Beispiel eines Auffahrunfalls könnte man den Anscheinsbeweis etwa wie folgt erschüttern:

Es liegt eine grundlose Vollbremsung vor. Wenn der Vorausfahrende plötzlich und ohne erkennbaren Grund stark bremst, kann dies zu einem Auffahrunfall führen. In solchen Fällen kann der Anscheinsbeweis erschüttert werden, wenn der Auffahrende nachweisen kann, dass die Vollbremsung unerwartet und untypisch war.